Europaabgeordnete haben die EU-Kommission dazu aufgefordert, mögliche Manipulationen auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) zu untersuchen. Der Verdacht: Plattform-Eigentümer Elon Musk könnte seine eigenen Beiträge systematisch bevorzugen und ihnen eine unnatürlich hohe Reichweite verschaffen. Im Fokus steht die Frage, ob Musk damit gegen EU-Recht verstößt, insbesondere gegen die Vorgaben des Digital Services Act (DSA), der Transparenz und Fairness auf Online-Plattformen sicherstellen soll.
Studie als Auslöser: Auffällige Reichweitensteigerung seit Trump-Unterstützung
Der Hintergrund der Forderung ist eine aktuelle Studie der Universität Queensland in Australien, die einen signifikanten Anstieg der Sichtbarkeit von Musks Beiträgen dokumentiert. Die Forscher berichten, dass die Aufrufe seiner Posts seit Juli 2024 massiv gestiegen sind – zeitlich passend zu Musks öffentlicher Unterstützung für den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Diese Reichweitensteigerung sei nicht allein durch organisches Nutzerinteresse erklärbar, sondern weise auf eine mögliche algorithmische Bevorzugung hin.
Musks Beiträge erreichen mittlerweile oft ein Vielfaches der Reichweite anderer prominenter Accounts auf der Plattform, darunter auch politisch neutrale oder konträre Stimmen. „Die Daten legen nahe, dass es seit der Trump-Unterstützung von Musk eine auffällige Veränderung bei der Sichtbarkeit seiner Posts gibt, die nicht auf normale Nutzerinteraktionen zurückzuführen ist“, so die Forscher.
Politischer Druck auf die EU-Kommission
Mehrere Abgeordnete des Europäischen Parlaments, vor allem aus der sozialdemokratischen und grünen Fraktion, fordern nun eine umfassende Prüfung der Vorwürfe. Sie argumentieren, dass eine algorithmische Bevorzugung von Musks Beiträgen nicht nur gegen die Transparenzregeln des DSA verstoßen könnte, sondern auch das demokratische Diskursklima gefährde.
„Wenn Musk als Plattformbetreiber seine persönliche Reichweite manipuliert, um politischen Einfluss zu nehmen, stellt das einen massiven Verstoß gegen die Grundprinzipien des fairen Wettbewerbs im digitalen Raum dar“, erklärte die Abgeordnete Sophie in ’t Veld (Renew Europe). „Die EU muss sicherstellen, dass digitale Plattformen nicht zu privaten Propagandamaschinen degradiert werden.“
Die Abgeordneten fordern die EU-Kommission auf, die Algorithmen und Mechanismen von X genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei soll insbesondere geprüft werden, ob Beiträge von Musk oder anderen privilegierten Nutzern künstlich bevorzugt werden.
EU-Recht und der Digital Services Act
Die Untersuchung würde vermutlich auf Grundlage des Digital Services Act erfolgen, der seit 2024 in Kraft ist. Dieses Gesetz verpflichtet große Plattformen wie X zu umfassender Transparenz bei der Funktionsweise ihrer Algorithmen. Außerdem müssen die Plattformen sicherstellen, dass Nutzerinnen und Nutzer nicht systematisch diskriminiert oder benachteiligt werden – sei es durch manuelle Eingriffe oder algorithmische Voreinstellungen.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnten harte Sanktionen drohen. Der DSA sieht bei Verstößen Bußgelder von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes vor – was im Fall von X und Musk Milliardenbeträge bedeuten könnte.
Reaktion von Musk und X
Bislang hat Elon Musk keine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgegeben. Allerdings ist bekannt, dass er bereits in der Vergangenheit Einfluss auf die Funktionsweise von X genommen hat. Medienberichten zufolge soll Musk mehrfach die Entwickler angewiesen haben, seine Beiträge prominenter darzustellen, nachdem er sich darüber beschwert hatte, dass seine Reichweite „zu gering“ sei.
Kritiker werfen Musk vor, die Plattform zunehmend für persönliche und politische Zwecke zu instrumentalisieren. Die Unterstützung von Donald Trump, die von vielen als polarisierend wahrgenommen wird, habe diese Kritik zusätzlich verschärft.
Gefährdung der Plattformneutralität?
Die Vorwürfe gegen Musk werfen eine grundlegende Frage auf: Können Social-Media-Plattformen wie X unter der Kontrolle einzelner mächtiger Eigentümer neutral bleiben? Wenn Algorithmen bewusst so eingestellt werden, dass sie bestimmte Inhalte bevorzugen – sei es von Plattformbetreibern selbst oder von politisch nahestehenden Akteuren –, könnte dies die Meinungsvielfalt erheblich einschränken.
„Wir reden hier nicht nur über Reichweite, sondern über Macht“, warnte der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei). „Wenn eine Plattform wie X demokratische Spielregeln missachtet, um eigene Interessen zu pushen, muss die EU einschreiten.“
Fazit: Ein Testfall für die EU und den DSA
Die geforderte Untersuchung könnte zu einem Präzedenzfall für die Durchsetzung des Digital Services Act werden. Sie wäre auch ein Signal, dass die EU bereit ist, Tech-Giganten wie Elon Musk zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie die Grenzen ihrer Macht überschreiten.
Ob die Vorwürfe jedoch ausreichen, um rechtliche Konsequenzen herbeizuführen, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die Debatte um Manipulationen auf X ist längst mehr als eine technische Frage – sie könnte weitreichende Folgen für die Glaubwürdigkeit von Social-Media-Plattformen und die Integrität des digitalen Diskurses in Europa haben.