Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol steht vor einem möglichen Sturz. Nach der umstrittenen Ausrufung des Kriegsrechts wächst der Druck auf ihn – nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen. Am Samstag soll das Parlament über ein Amtsenthebungsverfahren abstimmen, während sich die Polizei auf Massendemonstrationen vorbereitet.
Kriegsrecht sorgt für politischen Sturm
Am Dienstagabend hatte Yoon überraschend das Kriegsrecht verhängt – offiziell, um das Land vor „Bedrohungen durch Nordkorea“ zu schützen. Doch die Maßnahme wurde wenige Stunden später wieder aufgehoben, nachdem klar wurde, dass sie auf massiven Widerstand stieß. Der Schritt stürzte Südkorea in ein politisches Chaos und löste international Besorgnis aus. Es war das erste Mal seit über 40 Jahren, dass ein südkoreanischer Präsident zu einem solchen Mittel griff.
Motiv des Präsidenten unklar
Warum Yoon das Kriegsrecht ausrief, bleibt unklar. Experten spekulieren, dass der Präsident versuchte, von mehreren Skandalen abzulenken, in die er und seine Frau verwickelt sind. Die Opposition bezeichnete den Schritt als gefährlich und unverantwortlich. „Der Geisteszustand des Präsidenten ist ein Risiko für unser Land“, erklärte Lee Jae Myung, der Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Partei (DP).
Auch eigene Partei wendet sich ab
Der Druck auf Yoon kommt inzwischen auch aus der eigenen Partei. Han Dong Hoon, der Vorsitzende der konservativen Regierungspartei PPP, forderte am Freitag die Suspendierung des Präsidenten. Han begründete dies mit neuen Informationen: Yoon soll am Dienstagabend auch die Festnahme von Spitzenpolitikern angeordnet haben, die er als „staatsfeindliche Kräfte“ bezeichnete. „Eine rasche Suspendierung ist notwendig, um weitere gefährliche Entscheidungen zu verhindern“, sagte Han.
Abstimmung über Amtsenthebung
Am Samstagabend wird das Parlament über ein Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon abstimmen. Die oppositionelle Demokratische Partei verfügt über eine Mehrheit, benötigt aber auch Stimmen aus der Regierungspartei, um die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Bisher hatte die PPP angekündigt, sich gegen das Verfahren zu stellen, doch die Forderung ihres Parteichefs deutet auf eine mögliche Kehrtwende hin.
Erinnerungen an 2016
Die Lage erinnert an das Amtsenthebungsverfahren von 2016 gegen die damalige Präsidentin Park Geun Hye. Park wurde nach massiven Protesten und einem Skandal um Einflussnahme abgesetzt, was ihre Partei nachhaltig schwächte. Einige Mitglieder der PPP drängen Yoon daher, freiwillig zurückzutreten, um ein ähnliches Szenario zu vermeiden.
Opposition bereitet sich auf kritische Nacht vor
Aus Angst vor einem erneuten „Putsch“ hat die Opposition beschlossen, bis zur Abstimmung über Nacht im Parlament zu bleiben. „Diese Nacht ist entscheidend für die Zukunft unseres Landes“, sagte Oppositionsführer Lee. Der Präsident ist seit Mittwochmorgen aus der Öffentlichkeit verschwunden, was die Spannungen weiter verschärft.
Massendemonstrationen geplant
Für Samstag werden große Demonstrationen erwartet. Vor dem Parlament und in der Innenstadt von Seoul könnten laut Polizei Zehntausende Menschen gegen den Präsidenten auf die Straße gehen. Die Veranstalter rechnen sogar mit bis zu 200.000 Teilnehmern. Eine Umfrage zeigt, dass Yoons Zustimmungswerte auf ein Rekordtief von 13 Prozent gefallen sind.
Internationale Besorgnis und ein Blick in die Vergangenheit
Auch international sorgt die politische Krise in Südkorea für Bestürzung. Die südkoreanische Literaturnobelpreisträgerin Han Kang zeigte sich bei einer Pressekonferenz in Stockholm tief besorgt. Die Bilder von Demonstranten und Sicherheitskräften auf den Straßen erinnerten sie an die blutige Niederschlagung der Gwangju-Aufstände von 1980, die sie in ihrem Roman „Menschenwerk“ thematisiert.
Ausblick
Südkorea steht vor einer entscheidenden Phase. Sollte das Parlament für eine Amtsenthebung stimmen, könnte dies das Ende von Yoons Präsidentschaft bedeuten. Gleichzeitig droht seiner Partei ein massiver politischer Schaden. Die nächsten Stunden und Tage werden zeigen, ob Südkorea eine politische Kehrtwende erlebt – oder ob der Präsident trotz der massiven Kritik im Amt bleibt.