Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Bundeskanzler Olaf Scholz in einen diplomatischen Fettnapf setzt, der groß genug ist, um darin zu baden. Nach fast zwei Jahren Funkstille griff Scholz zum Hörer und rief ausgerechnet bei Wladimir Putin an. Ja, bei dem Wladimir Putin. Und wie zu erwarten war, sorgte das nicht nur in Deutschland für hochgezogene Augenbrauen, sondern vor allem bei Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich prompt mit scharfer Kritik zu Wort meldete.
„Die Büchse der Pandora ist geöffnet!“, verkündete Selenskyj – als hätte Scholz persönlich mit einem Brecheisen daran gearbeitet. Was erlaubt sich Scholz eigentlich? Der Kanzler habe, so Selenskyj, nichts weniger getan, als Putins ewigen Traum erfüllt: die Isolation Russlands aufzuheben. Ein kleiner Plausch mit dem Kremlchef, und schon sieht Selenskyj die internationale Ordnung in sich zusammenbrechen wie ein schlecht gebautes Kartenhaus.
Vorwarnung? Egal. Skandal bleibt Skandal
Aber keine Sorge, Scholz hat nicht etwa heimlich auf der Rückbank seines Dienstwagens zum Hörer gegriffen. Er informierte Selenskyj sogar vorab über das Telefonat. Ein Gentleman-Move? Nicht für Selenskyj. Denn auch mit Vorwarnung bleibt die Sache für ihn ein unverzeihlicher Tabubruch. Vielleicht hätte Scholz vorher noch schriftlich um Erlaubnis bitten sollen – inklusive Genehmigungsstempel der ukrainischen Regierung?
Man stelle sich vor: Zwei Jahre herrscht Sendepause zwischen Berlin und Moskau, und als Scholz endlich zum Telefon greift, wird er von Selenskyj behandelt, als hätte er die Rückkehr der Berliner Loveparade angekündigt – nur eben im Kreml.
Russland, das arme Opfer?
Und was hat Scholz eigentlich am Telefon gesagt? Hat er Putin etwa eine Einladung zum Oktoberfest geschickt? Oder ihm versichert, dass der Kalte Krieg längst ein Missverständnis war? Natürlich nicht. Aber das scheint Selenskyj wenig zu interessieren. Für ihn reicht offenbar schon der bloße Kontakt, um Putin politisch zu rehabilitieren. Scholz, der stille Komplize? Was kommt als Nächstes – ein gemeinsames Abendessen mit Putin, bei dem der Kanzler in bayerischem Dialekt „Schluss mit der Isolation, Prost Wladimir!“ anstößt?
Ironie der Isolation
Selenskyj scheint dabei zu vergessen, dass die internationale Diplomatie nicht gerade eine Folge von Schwarz-Weiß-Bildern ist. Klar, Putin darf nicht hofiert werden, aber muss das gleich heißen, dass niemand mit ihm sprechen darf? Wenn die Lösung für jeden geopolitischen Konflikt das konsequente Ignorieren wäre, könnte die Weltpolitik bequem in einem WhatsApp-Chatroom erledigt werden. Vielleicht sogar mit stummgeschalteten Gruppennachrichten.
Aber nein, Diplomatie lebt von Gesprächen – auch mit Leuten, die man lieber auf den Mond schießen würde. Und vielleicht war Scholz’ Anruf nicht der Versuch, Putin einen Gefallen zu tun, sondern schlichtweg ein Pragmatismus-Schock.
Was nun, Selenskyj?
Am Ende bleibt die Frage: Was erlaubt sich Selenskyj? Soll Deutschland etwa jede diplomatische Handlung erst durch das Kiewer Büro für genehmigte Telefongespräche absegnen lassen? Oder hofft er ernsthaft, dass eine dauerhafte Funkstille mit Moskau den Krieg schneller beendet?
Natürlich hat Selenskyj das Recht, kritisch zu sein – aber vielleicht könnte er beim nächsten Mal die Büchse der Pandora noch kurz geschlossen halten, bevor er Scholz mit dramatischen Untergangs-Szenarien überzieht. Ein Telefonat macht noch keinen Putin-Sympathisanten. Und vielleicht, nur vielleicht, wäre es für die internationale Gemeinschaft sinnvoller, nicht jede Handlung reflexartig als Weltuntergang zu deklarieren.