Olaf Scholz scheint sich unbeeindruckt von der wachsenden Debatte um die SPD-Kanzlerkandidatur zu zeigen. In einem ARD-Interview erklärte der Bundeskanzler, er gehe fest davon aus, dass er erneut als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten antreten werde. „Die SPD und ich wollen die Bundestagswahl im Februar gemeinsam gewinnen“, verkündete Scholz mit gewohnt ruhiger Stimme – als ob Umfragen und parteiinterne Kritik für ihn keine Rolle spielen würden. Er verwies darauf, dass die SPD auch bei der vergangenen Bundestagswahl unter seiner Führung einen Sieg errungen habe, und klang dabei, als wäre dieser Erfolg eine Garantie für die Zukunft.
Realität? Was ist das?
Dass seine Umfragewerte inzwischen weit hinter denen von Verteidigungsminister Boris Pistorius liegen, scheint Scholz nicht zu stören. Während Scholz in der Beliebtheit immer weiter abrutscht, steigt Pistorius‘ Stern. Der Verteidigungsminister wird nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch von immer mehr SPD-Mitgliedern als der stärkere Kandidat wahrgenommen. Diese Entwicklung dürfte für den amtierenden Kanzler unangenehm sein – zumindest, wenn er sie wahrnimmt. Stattdessen bleibt Scholz bei seiner Linie: Ruhe bewahren, nichts anmerken lassen und darauf hoffen, dass die Partei ihm schon folgen wird. Immerhin hat diese Strategie ihm bereits einmal das Kanzleramt eingebracht.
SPD-Spitze ohne Plan?
Die SPD scheint derweil innerlich zerrissen. Am Vorabend führte die Parteispitze eine Telefonkonferenz durch, um die Frage der Kanzlerkandidatur zu diskutieren. Doch das Ergebnis war – wenig überraschend – nichtssagend. Offensichtlich scheut sich die Parteiführung davor, Scholz direkt infrage zu stellen, auch wenn die Unterstützung für Pistorius immer lauter wird. Parteichefin Saskia Esken und Co. wirken, als wollten sie das Problem am liebsten bis nach der Wahl verschieben. Die Stimmung ist angespannt: Ein Kanzlerkandidat, der wenig Rückhalt genießt, steht gegen einen Verteidigungsminister, der in den Medien als „Retter der SPD“ gehandelt wird.
Die Pistorius-Option
Für Verteidigungsminister Pistorius sprechen nicht nur seine hohen Umfragewerte, sondern auch sein Auftreten. Er wird als klar, durchsetzungsfähig und volksnah wahrgenommen – Attribute, die Scholz häufig fehlen. Doch Pistorius selbst hält sich auffällig bedeckt. Zwar hat er mehrfach betont, wie sehr er sein aktuelles Amt schätzt, doch gleichzeitig ließ er die Tür für eine Kandidatur offen. Eine klare Absage an die Kanzlerkandidatur? Fehlanzeige.
Rückblick als Argument
Scholz scheint sich derweil auf die Vergangenheit zu verlassen. Sein Argument: Er habe die SPD 2021 aus einer schwierigen Lage herausgeführt und ins Kanzleramt gebracht. Doch damals waren die Vorzeichen anders. Scholz wurde als der „ruhige Macher“ wahrgenommen, der sich klar von seinen Mitbewerbern absetzte. Heute wirkt er eher wie der „ruhige Verwalter“, dem Dynamik und Charisma fehlen – Eigenschaften, die gerade in einem Wahlkampf gefragt sind.
Wie weiter?
Die nächsten Wochen dürften für die SPD entscheidend sein. Wird Scholz trotz der Kritik von allen Seiten als Kanzlerkandidat ins Rennen geschickt, oder wagt die Partei einen mutigen Schritt und setzt auf Pistorius? Der Druck auf die Parteispitze wächst, eine klare Entscheidung zu treffen. Scholz scheint jedoch fest entschlossen, auch diese Debatte wie gewohnt auszusitzen. Ob die Partei und die Wähler ihm dabei folgen, bleibt fraglich – denn auch Geduld hat ihre Grenzen.