Die politische Landschaft Rumäniens ist in Aufruhr – und nicht nur Rumänien selbst, sondern ganz Europa schaut gebannt zu. Eine Woche nach der überraschenden Präsidentschaftswahl steht nun die Parlamentswahl an. Das Drama? Der prorussische Rechtspopulist Călin Georgescu hat es dank eines fragwürdigen TikTok-Wahlkampfs, bei dem möglicherweise russische Hände im Spiel waren, in die Stichwahl geschafft. Die Regierungsparteien wurden abgestraft, und nun könnten Rechtsaußen-Parteien wie die AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen) bei der Parlamentswahl am Sonntag massiv zulegen.
Ratlosigkeit und Chaos – der politische Alltag in Rumänien
„Es herrscht große Ratlosigkeit“, sagt Katja Plate, Rumänien-Expertin der Konrad-Adenauer-Stiftung. Kein Wunder, denn das Land steckt im politischen Chaos. Die beiden Regierungsparteien, die sozialdemokratische PSD und die nationalliberale PNL, taumeln nach ihrer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl wie angeschlagene Boxer durch die Arena. Premier Marcel Ciolacu hat bereits angekündigt, nach der Wahl seinen Hut zu nehmen.
Die Wähler sind frustriert, die Korruptionsvorwürfe gegen die PSD hängen wie ein schwerer Schatten über dem Land, und die PNL hat ihren Glanz als vermeintlicher Kämpfer gegen Korruption längst verloren. Nun strömen die Wähler zu den Rechtsaußen-Parteien, die ihnen einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen.
Călin Georgescu: TikTok-Star mit russischem Beigeschmack
Călin Georgescu, der Shootingstar der Präsidentschaftswahl, hat seinen plötzlichen Erfolg vor allem einem massiven TikTok-Wahlkampf zu verdanken. Beobachter sehen hier eine mögliche russische Einmischung, die bereits Wochen vor der Wahl für Unruhe sorgte. Georgescu hatte bis vor kurzem keine erkennbare Nähe zu TikTok – plötzlich tauchte er jedoch auf den Bildschirmen von Millionen Rumänen auf. „Wenn man auf einmal so viel Geld für TikTok ausgeben kann, wirft das Fragen auf“, sagt Analyst Milan Nic.
Es gibt Hinweise, dass russische Kampagnenberater nach der Wahl in Moldawien direkt nach Rumänien übersiedelten, um Georgescus Wahlkampf zu unterstützen. Er ist der Inbegriff eines „politischen Produkts“: glatt, populistisch, und, wie es scheint, strategisch unterstützt von Kräften, die weit über die Landesgrenzen hinausreichen.
Die neue Macht der Rechtsaußen-Parteien
Neben Georgescu sorgte auch die rechtsnationale AUR mit ihrem Chef George Simion für Schlagzeilen. Simion, der es bei der Präsidentschaftswahl auf den vierten Platz schaffte, könnte bei der Parlamentswahl große Erfolge feiern. Trotz (oder vielleicht wegen) seiner provokativen Haltung – er wurde sogar aus Moldawien und der Ukraine verbannt – zieht Simion mit seiner Partei immer mehr Wähler an.
Hinzu kommt die rechtsextreme SOS Romania von Diana Șoșoacă, die ebenfalls Chancen hat, ins Parlament einzuziehen. Und dann gibt es noch die mysteriöse Partei der jungen Menschen (POT), die vage Positionen vertritt, aber mit Georgescu in Verbindung gebracht wird. Kurz gesagt: Die politische Bühne Rumäniens könnte nach Sonntag deutlich rechter gefärbt sein.
Die Verlierer: Die etablierten Parteien
Die regierenden Parteien PSD und PNL befinden sich in der Defensive. Die PSD, die seit Jahrzehnten durch Versorgungsklientelismus die rumänische Politik dominiert, hat bei der Präsidentschaftswahl einen schweren Schlag erlitten. Ciolacu erreichte nur 19 Prozent – ein desaströses Ergebnis für eine Partei, die einst als unantastbar galt.
Die PNL, die als liberaler Gegenspieler der PSD positioniert war, hat ihre Glaubwürdigkeit verloren, seit sie eine Koalition mit der einstigen Erzfeindin einging. Viele Stammwähler haben sich enttäuscht abgewandt, und die Partei kämpft ums politische Überleben.
Geopolitische Sprengkraft
Die politischen Entwicklungen in Rumänien könnten weit über die Landesgrenzen hinaus Folgen haben. Rumänien ist ein wichtiger Teil der NATO-Ostflanke, und ein pro-russischer Präsident wie Georgescu im Amt würde sowohl der EU als auch der NATO massive Kopfschmerzen bereiten. Noch mehr Sorgen bereitet die Aussicht, dass Rechtsaußen-Parteien in die Regierung einziehen könnten – ein Szenario, das Rumäniens bisherige Unterstützung für die Ukraine ins Wanken bringen würde.
Russische Einmischung: Das offene Geheimnis
Berichte über russische Einmischung in die Wahlen sorgen in der EU und der NATO für große Unruhe. Über Bevollmächtigte, Mittelsmänner und mit Russland verbundene Organisationen sollen laut Berichten Stimmen beeinflusst worden sein. Dass Rumänien für Russland von strategischer Bedeutung ist, steht außer Frage. Analyst Nic bringt es auf den Punkt: „Rumänien ist für die Russen sehr wichtig.“
Ein Sonntag mit (politischen) Überraschungen?
Ob die Parlamentswahl die gleichen Überraschungen wie die Präsidentschaftswahl mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass die politischen Weichen für Rumänien neu gestellt werden. Doch die entscheidende Frage lautet: Wird das Land weiter ein verlässlicher Partner für die EU und die NATO bleiben, oder beginnt eine schleichende Abkehr zugunsten prorussischer Kräfte? Die Antwort liegt in den Händen von 19 Millionen wahlberechtigten Rumänen – und, wie manche befürchten, in den Händen unsichtbarer Mächte aus dem Osten