Start Wirtschaft Interview mit Verbraucheranwalt Maurice Högel aus Bielefeld

Interview mit Verbraucheranwalt Maurice Högel aus Bielefeld

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PixelAlchemyStudio96 (CC0), Pixabay

Frage: Herr Högel, der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Betreiber der Waschanlage für den Schaden am Fahrzeug haftet. Was ist das Besondere an diesem Urteil?

Maurice Högel: Das Urteil ist eine klare Ansage an Betreiber von Waschanlagen, ihre Verantwortung ernst zu nehmen. Der BGH hat bestätigt, dass ein Betreiber die Pflicht hat, sicherzustellen, dass marktgängige Fahrzeuge mit serienmäßiger Ausstattung wie dem hier betroffenen Land Rover sicher durch den Waschvorgang kommen. Die Begründung ist bestechend: Ein Kunde darf darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug in dem Zustand, in dem es ihm verkauft wurde, unbeschadet bleibt. Und wenn das Risiko allein im „Gefahrenbereich“ der Waschanlage liegt, kann sich der Betreiber nicht mit schwammigen Hinweisschildern oder Allgemeinplätzen entlasten.


Frage: Die Waschanlage hatte ja Hinweisschilder, etwa „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler“. Warum hat das nicht ausgereicht?

Maurice Högel: Weil diese Hinweise schlichtweg widersprüchlich und irreführend waren. Das große Schild besagt, dass nur nicht serienmäßige Teile wie Zubehör-Spoiler oder Antennen ausgeschlossen sind. Ein Kunde, der diese Information liest, wird berechtigterweise annehmen, dass serienmäßige Teile wie der Heckspoiler seines Land Rovers kein Problem darstellen. Der zusätzliche Zettel „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler“ macht die Sache noch verwirrender. Der BGH hat zu Recht darauf hingewiesen, dass solche missverständlichen Hinweise das Vertrauen des Kunden nicht zerstören dürfen, sondern eher den gegenteiligen Eindruck erwecken können: dass sein serienmäßiges Fahrzeug sicher ist.


Frage: Der Betreiber argumentierte, dass die Anlage bisher problemlos funktionierte und Schäden dieser Art nicht bekannt waren. Hat das keine Rolle gespielt?

Maurice Högel: Nein, diese Argumentation hat der BGH nicht akzeptiert. Die Betreiberpflicht zur Schadensprävention umfasst, dass man proaktiv Risiken erkennt und vermeidet. Der Betreiber hätte prüfen müssen, ob seine Anlage für serienmäßige Heckspoiler geeignet ist. Der Hinweis, dass so ein Schaden „noch nie passiert“ sei, reicht nicht. Nach dem Urteil kann man als Betreiber nicht abwarten, bis ein Schaden auftritt, sondern muss die Anlage regelmäßig auf Schwachstellen prüfen – insbesondere, wenn man sich der generellen Gefahr für Heckspoiler bewusst ist, wie das Gericht ja festgestellt hat.


Frage: Welche Konsequenzen hat dieses Urteil für andere Betreiber von Waschanlagen?

Maurice Högel: Es wird sicher für einige Betreiber ein Weckruf sein. Sie müssen ihre Anlagen und ihre Hinweisschilder überdenken, insbesondere im Hinblick auf Fahrzeuge mit serienmäßigen Anbauteilen. Wichtig ist, dass sie deutlich kommunizieren, für welche Fahrzeugtypen ihre Anlagen geeignet sind und welche Risiken bestehen. Außerdem dürften Betreiber gut beraten sein, künftig technische Nachrüstungen vorzunehmen, um solche Schäden zu vermeiden. Schließlich haftet der Betreiber, wenn er diese Maßnahmen unterlässt – und das Urteil macht klar, dass solche Versäumnisse teuer werden können.


Frage: Was bedeutet das Urteil für Verbraucher?

Maurice Högel: Für Verbraucher ist es ein großer Erfolg. Es zeigt, dass sie sich bei Schäden in Waschanlagen nicht mit allgemeinen Haftungsausschlüssen abspeisen lassen müssen. Wenn das Fahrzeug serienmäßig ausgestattet ist und ordnungsgemäß funktioniert, trägt der Betreiber das Risiko. Kunden sollten solche Schäden daher genau dokumentieren und sich nicht einschüchtern lassen, wenn der Betreiber die Verantwortung von sich weist. Das Urteil ist ein starkes Signal: Die Betreiber müssen beweisen, dass sie ihrer Schutzpflicht nachgekommen sind – nicht umgekehrt.


Frage: Wie bewerten Sie die Entscheidung des BGH insgesamt?

Maurice Högel: Die Entscheidung ist absolut richtig und zeitgemäß. Sie stärkt die Rechte der Verbraucher und setzt klare Maßstäbe für die Betreiber von Waschanlagen. Gleichzeitig verhindert sie, dass Betreiber durch vage Ausschlussklauseln ihrer Verantwortung entkommen. Es ist ein Urteil, das zeigt: Vertrauen in Dienstleistungen muss geschützt werden – und Betreiber, die dieses Vertrauen missbrauchen, können nicht einfach die Schuld auf den Kunden schieben.


Frage: Welche Tipps haben Sie für Verbraucher, die künftig eine Waschanlage nutzen?

Maurice Högel: Lesen Sie die Hinweise in der Waschanlage sorgfältig, auch wenn sie oft kryptisch formuliert sind. Falls Ihr Fahrzeug Schäden aufweist, machen Sie sofort Fotos, dokumentieren Sie den Zustand vor und nach dem Waschvorgang und melden Sie den Schaden unverzüglich beim Betreiber. Sollte dieser sich weigern, den Schaden zu ersetzen, lassen Sie sich nicht abwimmeln. Das BGH-Urteil zeigt: Sie haben Rechte, und diese können Sie auch durchsetzen.


Frage: Herr Högel, vielen Dank für das Gespräch!

Maurice Högel: Sehr gern.