Es gibt politische Absurditäten, die selbst Satireautoren sprachlos machen würden, und dann gibt es Calin Georgescu. Trotz der vom obersten Gericht in Rumänien abgesagten Stichwahl um das Präsidentenamt forderte der rechtsradikale und russlandfreundliche Kandidat die Bürgerinnen und Bürger dennoch auf, heute in die Wahllokale zu marschieren. Seine Begründung? „Warten Sie darauf, dass die Demokratie durch Ihre Kraft gewinnt.“ Offenbar hält er seine Anhänger nicht nur für patriotisch, sondern auch für außergewöhnlich geduldig.
Der Mann mit dem überraschenden Wahlerfolg (und noch überraschenderen Aufrufen)
Georgescu hatte bei der ersten Wahlrunde am 24. November mit knapp 23 Prozent tatsächlich die meisten Stimmen geholt – was ungefähr so überraschend war wie eine Sommergrippe mitten im Winter. Doch statt die Entscheidung des obersten Gerichts, die Wahl wegen russischer Manipulationsvorwürfe zu annullieren, zu akzeptieren, scheint Georgescu auf einer anderen Welle zu reiten. Vielleicht hofft er darauf, dass genug Menschen in imaginären Wahllokalen stehen und so tun, als hätten sie demokratisch etwas bewirkt.
Natürlich könnte man anmerken, dass Georgescu mit seiner Forderung auch nur konsequent bleibt: Warum sich um die Realität kümmern, wenn man sich in alternativen Fakten ohnehin wohler fühlt?
Manipulierte Influencer und 85.000 Cyberattacken: Russland goes TikTok
Die Entscheidung des Gerichts, die Wahl zu annullieren, kam nicht aus dem Nichts. Geheimdienstdokumente zeigen ein buntes Bild moderner Einmischung: Russische Cyberattacken, manipulierte TikTok-Influencer und Algorithmen, die gezielt Georgescu in die Köpfe der Wähler pflanzten – wer hätte gedacht, dass Demokratie heutzutage wie ein schlecht programmierter Algorithmus funktioniert?
Besonders pikant: Georgescu selbst bleibt zu den Vorwürfen erstaunlich still. Vielleicht schreibt er gerade eine Dankeskarte an Moskau für die geleistete Unterstützung. Oder er versucht immer noch, die Definition von „Guerilla-Kampagne“ zu googeln.
Lasconi und die verpasste Stichwahl
Die eigentliche Stichwahl sollte zwischen Georgescu und Elena Lasconi, einer Mitte-rechts-Politikerin, stattfinden. Doch jetzt bleibt Lasconi nichts anderes übrig, als sich zusammen mit den Wählern zu fragen, wann und ob die erste Wahlrunde überhaupt wiederholt wird. Ihr zweiter Platz bei der ersten Runde brachte sie zwar in die Stichwahl, doch die absurde Posse um manipulierte Influencer und mutmaßliche russische Eingriffe hat auch ihren Wahlkampf durcheinandergewirbelt.
Währenddessen wartet der sozialdemokratische Premier Marcel Ciolacu, der in der ersten Runde überraschend hinter Lasconi landete, wahrscheinlich in aller Ruhe auf den neuen Termin – oder auf die nächste Chaosentscheidung des Gerichts.
Ein Land in Wartestellung – und Georgescu mittendrin
Rumänien, ein EU- und NATO-Mitglied, sieht sich erneut in der unangenehmen Position, die Bühne für einen russischen Theaterakt zu sein. Geheimdienste sprechen von aggressiven Einmischungen durch Cyberangriffe und Sabotageakte. Aber Georgescu bleibt unbeeindruckt. Er und sein Wahlkampfteam halten lieber an einer surrealen Vision fest: Bürger, die in geschlossenen Wahllokalen für eine Demokratie kämpfen, die an diesem Tag nirgendwo stattfindet.
Vielleicht ist dies Georgescus eigentliche Botschaft: Demokratie bedeutet nicht, dass man tatsächlich wählt. Es reicht, wenn man es versucht – auch wenn niemand da ist, um die Stimmen zu zählen.