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Die Strafanzeige der AfD Landtagsfraktion des Freistaates Sachsen gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer und weitere Personen

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geralt / Pixabay

Staatsanwaltschaft Dresden Lothringer Str. 1

01069 Dresden

Sehr geehrte Damen und Herren,

die AfD-Fraktion im Landtag des Freistaates Sachsen, vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden Jörg Urban, Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden

erstatten hiermit Strafanzeige

gegen
Herrn Michael Kretschmer, Ministerpräsident,
wegen des Verdachts der Anstiftung zum Verbrechen der Rechtsbeugung § 339 StGB, § 26 StGB sowie wegen des Verdachts der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat, § 357 StGB i.V.m. § 339 StGB;

Herrn Prof. Dr. Günther Schneider, Staatssekretär und Amtschef, Sächsisches Staatsministerium des Innern
wegen des Verdachts der Anstiftung zum Verbrechen der Rechtsbeugung § 339 StGB, § 26 StGB;

Herrn N.N., Mitarbeiter Bundeskanzleramt

wegen des Verdachts der Anstiftung zum Verbrechen der Rechtsbeugung § 339 StGB, § 26 StGB;
Frau Carolin Schreck, Landeswahlleiterin und Vorsitzende des Landeswahlaus¬schusses

Herr Freundorfer, Beisitzer im Landeswahlausschuss
Herr Grundmann, Beisitzer im Landeswahlausschuss
Herr Israel, Beisitzer im Landeswahlausschuss
Frau Rericha, Beisitzerin im Landeswahlausschuss
Herr Weise, Beisitzer im Landeswahlausschuss

wegen des Verdachts des Verbrechens der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB;

Herrn Prof. Dr. Roland Wöller, Staatsminister des Innern,
wegen des Verdachts der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat, § 357 StGB i.V.m. § 339 StGB

und bittet um Aufnahme der Ermittlungen.

Sachverhalt:

Am 5. Juli 2019 „verhandelte“ der Sächsische Wahlausschuss in im Amt des Sächsischen Landesamt in Kamenz über die Zulassung von Landeslisten zur Landtagswahl 2019. Da¬bei wurde insbesondere beschlossen, dass die Alternative für Deutschland, Landesver¬band Sachsen mit ihrer Landesliste ab Listenplatz 19 nicht mehr zur Landtagswahl 2019 zugelassen wird.

Die inkriminierte Entscheidung liegt nicht in verschriftlichter Form vor. Das Statistische Landesamt hat sich in einer Medieninformation zu dem Vorgang geäußert: „Im Kern ging es um die Frage, ob es sich bei den verschiedenen Landesparteitagen vom Februar und März 2019 um eine einheitliche Aufstellungsversammlung handelte. Auf der Grundlage des Akteninhaltes wurden Formalien, wie etwa Angaben zu den Einladungen, zu den Tagesordnungen, den Teilnehmerzahlen und insbesondere zum Ablauf des Bewerberaufstellungsverfahrens erörtert. Der Landesparteitag im Februar 2019 beschloss für die Listenplätze 1 bis 61, also für alle Listenplätze, die Kandidaten im Einzelwahlverfahren zu wählen.

Der Landesparteitag im März 2019 befasste sich erneut mit dem Wahlverfahren und änderte den Beschluss vom Februar ab, so dass ab der Listenposition 31 das Blockwahlverfahren zur Anwendung kam. Die notwendige Chancengleichheit aller Bewerberinnen und Bewerber im Verfahren der Kandidatenaufstellung war nach Ansicht des Landeswahlausschusses damit nicht gegeben.

Für die Einordnung als zwei getrennte Aufstellungsver¬sammlungen sprachen zudem die fehlende Personenidentität der im Wahlgesetz vorge¬sehenen maßgeblichen Personen (u. a. Versammlungsleiter sowie Personen, die eine eidesstattliche Versicherung abzugeben haben). Im Ergebnis der ausführlichen Erörterung lagen nach Auffassung des Landeswahlausschusses die zwingenden Voraussetzungen des § 21 SächsWahIG zur Aufstellung von Parteibewerbern nicht vor.“

Besonders betont wurde von Frau Schreck gegenüber der Öffentlichkeit, dass der Lan-deswahlausschuss keine andere Entscheidung hätte treffen können.

Zur Vorgeschichte und zum Sachverhalt im Übrigen wird auf die zutreffende gerichtliche Sachverhaltsdarstellung durch den Verfassungsgerichtshof verwiesen.

Anlage II: Urteil VerfGH

Ein Mitglied der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Herr Carsten Hütter, hatte am 23.7.2019 die Anfrage 6/18461 an die Staatsregierung zu Kontakten zwischen der Lan¬deswahlleiterin und anderen Teilen der Staatsregierung gestellt. Diese wurde nun von Staatsminister Prof. Dr. Wöller fristgerecht beantwortet.

In dieser Antwort heißt es: „Das Mängelschreiben der Landeswahlleiterin an die AfD vom 19. Juni 2019 wurde dem Staatsministerium des Innern am gleichen Tage durch den Lei¬ter des Referats 13 – „Recht, Wahlen, Volksentscheide“ – des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen nachrichtlich übermittelt. Nach Kenntnisnahme telefonierte der Leiter des Referates 21 – „Verfassungs-, Verwaltungsrecht, Normprüfung, Parlamentari¬sche Wahlen, Glücksspielrecht“ im Staatsministerium des Innern (SMI) im Rahmen seiner Zuständigkeit am 20. Juni 2019 mit dem stellvertretenden Landeswahlleiter und am 25. Juni 2019 mit der Landeswahlleiterin. Er wies dabei jeweils auf aus seiner Sicht bestehen¬de rechtliche Bedenken gegen die im Schreiben vertretene Rechtsauffassung zum Erfor¬dernis einer einheitlichen Aufstellungsversammlung hin und regte eine nochmalige Prüfung an. Die Prüfung wurde durch die beiden genannten Gesprächspartner jeweils in Aus¬sicht gestellt.“

Außerdem werden dort Kontakte zwischen Innenstaatssekretär Prof. Dr. Schneider und Frau Schreck in den Tagen vor der inkriminierten Entscheidung des Landeswahlaus¬schusses eingeräumt. Der Staatssekretär des SMI soll dabei angeblich inhaltlich nicht mit Frau Schreck über die beabsichtigte Entscheidung zur AfD-Liste gesprochen haben, dies obwohl es Gespräche vor der Listenstreichung am 05. Juli zwischen beiden im Zusam¬menhang mit der Liste gab.
Am 19 Juni soll sich der Staatsekretär telefonisch nach Fristen für die AfD im Zusammen¬hang des Mängelschreibens vom gleichen Tag gefragt haben. Am 3. Juli soll es dann nur um die „Sicherheitslage im Hinblick auf die zunehmenden öffentlichen Diskussionen“ ge¬gangen sein. Der Staatssekretär habe Frau Schreck „unter Bezug darauf versichert, im Hinblick auf mögliche Bedrohungen jederzeit für sie erreichbar zu sein“.

Über diese nunmehr öffentlich zugänglichen Informationen hinaus haben wir aus weiteren Quellen ernst zu nehmende Hinweise auf folgenden Geschehensablauf, der mit den öf¬fentlich zugänglichen Informationen kompatibel ist, und der mit strafprozessualen Instru¬mentarien auszuermitteln ist:
Der Leiter des Referats 21, Herr Burkhard Kurths, habe nach dem Erhalt des „Mängel¬schreibens“ jeweils mehr als einmal telefonisch mit Landeswahlleiterin Schreck und ihrem Stellvertreter gesprochen, um zu versuchen, diese von ihrer sich abzeichnenden Wahnsinnstat abzubringen. Er sei sogar so weit gegangen, mit dem Auto von Dresden nach Kamenz zu fahren, um die Landeswahlleiterin in dieser Angelegenheit zur Rede zu stellen.

Ermittlungsansätze: Zeugnis Burkhard Kurths, zu laden über das Innenministerium

Andererseits sei Frau Schreck von Innenstaatssekretär Professor Schneider im Auftrag des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in den Tagen zwischen dem Rügeschreiben der Landeswahlleiterin und der inkriminierten Entscheidung des Landeswahlausschusses vom 5. Juli 2019 in der entgegengesetzten Richtung bearbeitet worden. Ihm sei es gelun¬gen, die Landeswahlleiterin zur Beibehaltung ihrer „Rechtsauffassung“ zu bewegen, die nach den Feststellungen des Verfassungsgerichtshofes in einer Weise „qualifiziert rechts¬widrig“ war, die qualitativ mit Missbrauch und Willkür gleichzuachten ist.

Ermittlungsansätze: Zeugnis Burkhard Kurths, zu laden über das Innenministerium, Prof. Dr. Günther Schneider, zu laden über das Innenministerium, Carolin Schreck, zu laden über das Statistische Landesamt, Robert Kluger, zu laden über das Statis¬tische Landesamt, Michael Kretschmer, zu laden über die Staatskanzlei
Zur weiteren „Bestärkung“ der Landeswahlleiterin habe in jenen Tagen auch eine Ge¬sprächsrunde zwischen Innenstaatssekretär Professor Schneider, Landeswahlleiterin Schreck, dem stellvertretenden Landeswahlleiter Robert Kluger und einem uns bisher na¬mentlich nicht bekannten Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes stattgefunden.
Ermittlungsansätze: Zeugnis Prof. Dr. Günther Schneider, zu laden über das In-nenministerium, Carolin Schreck, zu laden über das Statistische Landesamt, Robert Kluger, zu laden über das Statistische Landesamt,Es liegt vor diesem Hintergrund nahe, dass Innenminister Wöller den Innenstaatsekretär jedenfalls hat gewähren lassen, was zu ermitteln ist.

Nach der Entscheidung vom 5. Juli 2019 hat die AfD Sachsen den o.g. Mitgliedern des Landeswahlausschusses, die die inkriminierte Entscheidung mitgetragen hatten, noch einmal Gelegenheit gegeben, ihre, wie der VerfGH später feststellte, „qualifiziert rechts¬widrige“ Entscheidung zu korrigieren.
Anlage IV: AFD-Schreiben an Landeswahlausschuss
Die Verdächtigen handelten jedoch nicht.

Auch die Aufsichtsbehörden in Person von Ministerpräsident Kretschmer sowie Innenminister Prof. Dr. Wöller wurden von der AfD Sachsen wie folgt zum Eingreifen aufgefordert:
„Dresden, den 12. Juli 2019

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
als Chef der Staatsregierung sind Sie zusammen mit Ihren Kabinettskollegen unmittel-bar von Ver- fassungs wegen verpflichtet, die Bindung Ihrer nachgeordneten Behörden sowie der gesamten öffentlichen Venwaltung des Freistaates an Recht und Gesetz sicherzustellen. Der Sachverhalt ist Ihnen bekannt. Ich fordere Sie hiermit auf, unverzüglich dieser Verpflichtung nachzukommen und auf den Innenminister sowie den Landeswahl-ausschuss selbst dahingehend einzuwirken, seine rechts- und verfassungswidrige Entscheidung vom 5. Juli 2019, die Listenplätze 19-61 der Landesliste der Partei „Alternative für Deutschland“ zu streichen, unverzüglich zu korrigieren.

Selbstverständlich sind alle Stellen der Verwaltung zur Selbstkontrolle und Selbst-korrektur be¬rechtigt und in Fällen wie diesem auch verfassungsrechtlich verpflichtet, auch wenn das Gesetz Rechtsmittel ausschließt.
Hochachtungsvoll“

Und entsprechend an Wöller:

„Dresden, den 12. Juli 2019

Sehr geehrter Herr Staatsminister,
Sie sind von Verfassungs wegen verpflichtet , die Bindung ihrer nachgeordneten Behörden an Recht und Gesetz sicherzustellen.

Der Sachverhalt ist Ihnen bekannt. Ich fordere Sie hiermit auf, unverzüglich dieser Verpflichtung nachzukommen und auf den Landeswahlausschuss dahingehend einzuwirken, seine rechts- und verfassungswidrige Entscheidung vom 5. Juli 2019, die Listenplätze 19-61 der Landesliste der Partei „Alternative für Deutschland“ zu streichen, unverzüglich zu korrigieren.

Selbstverständlich sind alle Stellen der Verwaltung zur Selbstkontrolle und Selbst-korrektur be¬rechtigt und in Fällen wie diesem auch verfassungsrechtlich verpflichtet, auch wenn das Gesetz Rechtsmittel ausschließt.
Hochachtungsvoll“ Es ist durchaus nicht so, dass die Landeswahlleitung richterliche Unabhängigkeit genieße. Die Veranstaltung von Wahlen steht selbstverständlich unter der Rechtsaufsicht insbeson¬dere des Innenministeriums und letztlich auch der Staatsregierung insgesamt.

Weder Kretschmer noch Wöller haben daraufhin etwas unternommen. Die AfD Sachsen hat überdies nach den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes aufgefordert, die Landeswahlleiterin zu entlassen, da Auch auf diese Aufforderung wurde nichts unternommen, ja die AfD Sachsen hat nicht einmal eine Antwort dazu bekommen.

Strafrechtliche Würdigung
Der Landeswahlausschuss in seiner konkreten Zusammensetzung zum Zeitpunkt der in- kriminierten Entscheidung mit Ausnahme des Vertreters der AfD Dr. Scheffer hat eine Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB begangen. Der Vertreter der AfD hat der Nichtzulas¬sung der AfD Landesliste nicht zugestimmt und kann infolge dessen nicht Täter sein. Die Täterschaft ist entsprechend einem Kollegialgericht für jene Beteiligte ausgeschlossen, die die inkriminierte Entscheidung nicht mitgetragen haben (BGH, GA 58, 241).

Insbesondere: Vorsatz

Das Auseinanderklaffen der Standpunkte zum Thema der „unitarischen“ Wahlversamm¬lung waren spätestens ab 18. Juni bekannt. Der Landeswahlleiterin ist es demnach zuzu¬muten, sich gesicherte Kenntnisse zu organisieren. Hierzu stand ihr die ganze Organisati¬on und Mitarbeitermacht der sächsischen Staatsregierung zur Verfügung. Von dieser Sei¬te wurde sie sogar sehr hartnäckig durch den zuständigen Leiter des Referats 21 des In¬nenministeriums, einen ehemaligen Vizepräsidenten der Landesdirektion, auf ihren Fehler hingewiesen. Selbst bei einer Annahme von Indizien für zwei Versammlungen hätte dies keinesfalls dazu führen dürfen, die Liste der AfD ab Platz 18 nicht zuzulassen, wie der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt hat.

Frau Schreck war in ihrer Laufbahn bereits über Jahre als Kreiswahlleiterin in Bautzen und als stellvertretende Landeswahlleiterin tätig. Hier lassen sich sicherlich bei strafprozessua¬ler Ermittlung Fälle finden, in denen sie eine völlig andere Rechtsauffassung anwandte als der jetzt gegen die AfD ins Feld geführte „qualifiziert rechtswidrige“ Standpunkt der Landeswahlleiterin.

Für die der Anstiftung verdächtigten Personen liegt ein dolus malus in Form eigennütziger politischer Motive nahe.In Person von Frau Schreck mag schuldmindernd der Druck in Betracht kommen, den man von Regierungsseite auf sie ausgeübt haben mag. Ermöglicht wurde dies insbeson¬dere durch die bloße Abordnung auf den Posten der Präsidentin des Statistischen Lan¬desamtes für ein Jahr.

Lediglich für das Nebenamt der Landeswahlleiterin wurde die dort im Hinblick auf § 1 Abs. 1 LWO rechtswidrige Ernennung auf begrenzte Zeit nachträglich umgewandelt in eine Ernennung auf unbestimmte Zeit. Auch diesbezüglich sind die ge¬nauen Zusammenhänge strafprozessual zu ermitteln.

Im Übrigen ist für alle Beschuldigten der große Schaden für die Demokratie, der nur durch ein nicht vorhersehbares äußerst ungewöhnliches Urteil des Verfassungsgerichtshofes abgemildert werden konnte, strafschärfend zu berücksichtigen.