Start News Brüssel entdeckt den Bürokratieabbau – und plant dafür noch mehr Bürokratie

Brüssel entdeckt den Bürokratieabbau – und plant dafür noch mehr Bürokratie

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jorono (CC0), Pixabay

Die EU-Kommission hat eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: Bürokratie ist hinderlich. Und weil man das Problem natürlich nur mit einer hochkomplexen Strategie voller neuer Regeln, Aktionspläne und Richtlinien lösen kann, präsentiert Brüssel nun eine „beispiellose Anstrengung für Vereinfachung“. Das klingt in etwa so glaubwürdig, wie wenn eine Schnecke einen Sprintrekord ankündigt – aber lassen wir der Kommission doch einen Moment den Optimismus.

Bürokratieabbau mit neuen Gesetzen – der EU-Ansatz

Besonders profitieren sollen kleine und mittlere Unternehmen (KMU), also jene Firmen, die ohnehin schon mit endlosen Meldepflichten, Formularen und Berichtspflichten kämpfen. Brüssel verspricht, diese Meldeauflagen um 35 Prozent zu reduzieren. Klingt nach einer echten Erleichterung – wäre da nicht das kleine Detail, dass die EU bekanntlich für jede abgeschaffte Vorschrift mindestens zwei neue einführt.

Das funktioniert so: Ein langes, schwer verständliches Formular wird durch zwei neue ersetzt, die in einfacher Sprache formuliert sind – aber doppelt so viele Nachweise erfordern. Natürlich mit der passenden Anleitung in Behördendeutsch, die klarstellt, dass die neue Vereinfachung nun noch genauer nachgeprüft wird. Am Ende dauert die Bearbeitung einer Steuererklärung nicht mehr drei Wochen, sondern drei Monate, weil zusätzliche Kontrollmechanismen für die „vereinfachte“ Version geschaffen wurden.

Mehr Wettbewerb durch mehr Regulierung

Als wäre das noch nicht paradox genug, kündigt die EU-Kommission im sogenannten „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ auch noch eine Vielzahl neuer Gesetzesinitiativen für die kommenden zwei Jahre an. Richtig gelesen: Bürokratie soll abgebaut werden – indem man erstmal neue Gesetze einführt. Offenbar ist die Strategie, den Bürokratieabbau so lange zu regulieren, bis niemand mehr Zeit hat, sich über die ursprüngliche Problematik Gedanken zu machen.

Und natürlich gibt es eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Frage beschäftigen wird, wie Bürokratieabbau rechtskonform umgesetzt werden kann. Diese wird dann Empfehlungen ausarbeiten, die wiederum in neue Richtlinien einfließen, deren Umsetzung regelmäßig überprüft werden muss – mit neuen Berichtspflichten für die betroffenen Unternehmen.

Fazit: Viel Papier für weniger Papier

Es ist das altbewährte Prinzip der EU: Mit maximalem Aufwand minimalen Fortschritt erzeugen. Man kennt es aus der Landwirtschaftspolitik, aus der Regulierung von Glühbirnen oder dem Datenschutz: Eine einfache Lösung wäre zu unbürokratisch, also schafft man lieber ein System, das selbst die besten Verwaltungsfachleute ins Schwitzen bringt.

Wenn die EU-Kommission wirklich Bürokratie abbauen will, könnte sie einfach mal versuchen, keine neuen Vorschriften einzuführen. Aber das wäre ja viel zu unkompliziert – und womöglich müssten dann ein paar Beamte weniger Überwachungsberichte schreiben. Das kann natürlich nicht passieren.

Bis dahin bleibt der Bürokratieabbau in Brüssel wohl das, was er immer war: Ein Vollzeit-Beschäftigungsprogramm für Gesetzgeber, Experten und Berater, die noch nie selbst einen Gewerbeschein beantragen mussten.