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Interview mit Politik und Technologie-Experten Thomas Bremer: „Googles Ethik war gestern“

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Simon (CC0), Pixabay

Moderator: Herr Bremer, Google hat seine KI-Grundsätze aktualisiert – und dabei still und heimlich die Zusage gestrichen, keine KI für Waffen oder Überwachung einzusetzen. Wie bewerten Sie diesen Schritt?

Thomas Bremer: Tja, das war’s dann mit der schönen neuen Welt der moralischen Tech-Konzerne. Google hat 2018 noch groß verkündet, dass es sich von Militärprojekten fernhält – jetzt, wo das Geld lockt, scheinen diese Versprechen genauso vergänglich zu sein wie ein Google+ Account.

„Erst Ethik, dann Rüstung – eine klassische Entwicklung“

Moderator: Warum dieser plötzliche Kurswechsel?

Thomas Bremer: Plötzlich? Nein, das war absehbar. Der Wettlauf um künstliche Intelligenz als strategisches Machtinstrument ist in vollem Gange, und Google hat erkannt: Wenn sie nicht liefern, tun es andere.

Zudem haben sich seit 2018 die geopolitischen Spannungen drastisch verschärft. Der Druck aus Washington, KI zur Stärkung der nationalen Sicherheit zu nutzen, ist groß. Wer sich da mit Moral ziert, steht am Ende nur mit leeren Taschen da.

„KI für den Weltfrieden – oder für den Überwachungsstaat?“

Moderator: In dem Blogpost zur Änderung spricht Google von „Freiheit, Gleichheit und Menschenrechten“. Ein Widerspruch?

Thomas Bremer: Das ist doch der Klassiker: Man verkauft eine bedenkliche Entscheidung als Beitrag zum Allgemeinwohl.

„KI schützt die Menschen!“ Klar – aber wer definiert, wer geschützt wird? Die Überwachungssysteme in China laufen auch mit dem Argument „nationale Sicherheit“. Und Waffen? Werden die jetzt nur noch für „gute Kriege“ programmiert?

Letztlich ist das ein PR-Text, um zu kaschieren, dass Google sich nicht länger aus lukrativen Militär- und Sicherheitsprojekten raushalten will.


„2018 protestierten noch Google-Mitarbeiter – heute herrscht Schweigen“

Moderator: 2018 gab es massiven Widerstand innerhalb von Google, als es um Militäraufträge ging. Wird das jetzt wieder passieren?

Thomas Bremer: Gute Frage. Damals haben 4.000 Mitarbeiter protestiert, einige haben gekündigt – heute? Still ruht der See.

Die Branche hat sich verändert. Big Tech ist heute viel enger mit Politik und Militär verknüpft. Und nach dem Hype um KI ist auch vielen Angestellten klar: Wenn wir es nicht machen, machen es andere – und wir verlieren den Job.


„Googles Selbstbild: Vom Hippie-Startup zum Tech-Riesen mit Pentagon-Kontakten“

Moderator: Ist Google also endgültig auf dem Weg zum Rüstungskonzern?

Thomas Bremer: Nicht ganz – aber die Richtung ist klar.

Das Google von heute hat nichts mehr mit der „Don’t be evil“-Mentalität von früher zu tun. Das war mal ein rebellisches Unternehmen mit idealistischen Entwicklern. Heute ist es eine globale Macht mit milliardenschweren Interessen.

Wenn das Pentagon morgen einen KI-gesteuerten Drohnenschwarm bestellt – wer würde da Nein sagen?


„Wir brauchen dringend Regeln für KI – aber wer setzt sie durch?“

Moderator: Was sollte jetzt passieren?

Thomas Bremer: Eigentlich bräuchten wir klare, internationale Regeln für den Einsatz von KI in Waffen und Überwachung. Aber die Realität?

  • China macht, was es will.
  • Die USA ziehen jetzt mit Google & Co. nach.
  • Europa? Diskutiert noch Ethik-Richtlinien.

Am Ende wird KI in Bereichen eingesetzt werden, die wir heute noch für Science-Fiction halten. Ob uns das gefällt oder nicht.

Moderator: Also eine besorgniserregende Entwicklung?

Thomas Bremer: Absolut. Aber keine Überraschung. Googles Ethik war schön, solange sie nichts gekostet hat. Jetzt, wo es um Milliarden geht, sind Prinzipien offenbar verhandelbar.

Moderator: Herr Bremer, vielen Dank für das Gespräch.

Thomas Bremer: Gerne. Und falls Google irgendwann doch noch „Don’t be evil“ zurückbringt – lassen Sie es mich wissen!