Start News Demokratie live: Prügel statt Politik?

Demokratie live: Prügel statt Politik?

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7706992 (CC0), Pixabay

In Deutschland wird politische Auseinandersetzung offenbar zunehmend wörtlich genommen – und das leider nicht im Sinne einer konstruktiven Debatte. Laut aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA), auf die sich das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) beruft, sind im vergangenen Jahr mehr als 4.900 Angriffe auf Politikerinnen und Politiker registriert worden. Das sind fast 900 mehr als im Vorjahr – ein Anstieg, der eigentlich für Aufsehen sorgen müsste, aber in der schnelllebigen Nachrichtenwelt gerade einmal für eine Randnotiz reicht.

Doch damit nicht genug: Es könnten noch mehr Fälle werden, da aus einigen Bundesländern noch „Nachmeldungen“ erwartet werden. Vielleicht erreicht Deutschland ja bald einen neuen demokratischen Meilenstein – nicht in Sachen Wahlbeteiligung oder politischem Diskurs, sondern in der Statistik für Angriffe auf gewählte Vertreter.

Politik als Hochrisikoberuf? Willkommen in der neuen Realität

Die gute alte politische Auseinandersetzung scheint für manche zu kompliziert oder zu anstrengend geworden zu sein. Anstatt sich mit Argumenten, Programmen und Diskussionen zu befassen, setzen einige lieber auf handfeste „Überzeugungsarbeit“. Politikerinnen und Politiker sollten sich also gut überlegen, ob sie sich lieber mit politischer Rhetorik wappnen oder gleich eine Schutzausrüstung zur Grundausstattung hinzufügen.

Die Zeiten, in denen man sich als Volksvertreter lediglich mit hitzigen Rededuellen im Bundestag oder harten TV-Diskussionen auseinandersetzen musste, scheinen vorbei. Heute gibt es eine ganz neue Herausforderung: physische Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen und Einschüchterungsversuche. Ein politisches Mandat wird also nicht mehr nur mit Verantwortungsbewusstsein und Durchsetzungskraft, sondern auch mit einem hohen persönlichen Sicherheitsrisiko bezahlt.

Und wo bleibt der Aufschrei? Natürlich gibt es empörte Statements, Mahnungen zur Deeskalation und die immer gleiche rhetorische Schockstarre nach jedem neuen Vorfall. Doch offenbar reicht das nicht, um die Entwicklung wirklich zu stoppen. Vielleicht könnte ein offizielles Politik-Sicherheitszertifikat eingeführt werden? Wer kandidieren will, muss vorher nachweisen, dass er oder sie einen Selbstverteidigungskurs absolviert hat.

Demokratie zum Mitnehmen – aber bitte ohne Gewalt

Natürlich kann man politisch unterschiedlicher Meinung sein. Natürlich kann man mit Entscheidungen nicht einverstanden sein. Demokratie lebt vom Streit, vom Austausch und ja, auch von lautstarken Auseinandersetzungen. Aber es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen einem scharfen Wortgefecht und einem Angriff auf die Menschen, die sich in der Politik engagieren – egal aus welchem Lager.

Denn letztlich führt diese Eskalation zu einem einzigen Ergebnis: Die Demokratie selbst wird geschwächt.

Wer sich bedroht oder eingeschüchtert fühlt, wird sich zweimal überlegen, ob er oder sie sich politisch engagiert.
Wer nur noch Hass und Aggression statt kritischer Diskussion erlebt, verliert das Vertrauen in das politische System.
Wer Politiker als „Feindbilder“ betrachtet, trägt aktiv dazu bei, dass Debatten in Gewalt umschlagen.

Fazit: Wollen wir wirklich so weitermachen?

Deutschland steht an einem Punkt, an dem sich alle – egal welcher politischen Richtung – die Frage stellen müssen: Ist das noch der demokratische Diskurs, den wir wollen? Oder sind wir bereits an dem Punkt, an dem Einschüchterung, Drohungen und Angriffe auf politische Vertreter zu einem traurigen Standard geworden sind?

Es ist an der Zeit, wieder klarzustellen:
Demokratie bedeutet Diskussion, nicht Zerstörung. Sie bedeutet Kritik, nicht Gewalt.
Und vor allem bedeutet sie, dass Meinungsverschiedenheiten mit Argumenten ausgetragen werden – und nicht mit Fäusten, Drohungen oder Angriffen.

Denn wenn wir das akzeptieren, dann brauchen wir uns über sinkendes politisches Engagement, wachsendes Misstrauen in die Institutionen und eine schleichende Erosion unserer politischen Kultur nicht mehr zu wundern. Dann haben wir es selbst so gewollt.