In Georgien sind die proeuropäischen Proteste erneut von schweren Gewaltexzessen überschattet worden. In sozialen Netzwerken kursieren erschütternde Videos, die brutale Szenen zeigen: Maskierte Männer in schwarzer Kleidung griffen gezielt friedliche Demonstranten an, schlugen sie nieder und traten auf am Boden liegende Menschen ein. Besonders schockierend: Die Polizei stand offenbar untätig daneben und griff nicht ein – ein Vorwurf, der von mehreren Medien bestätigt wurde.
Zu den Opfern der Übergriffe gehört auch eine Reporterin des oppositionellen Fernsehsenders TV Pirveli, die während ihrer Berichterstattung zu Boden geschlagen wurde. Die brutalen Angriffe auf die Demonstranten und Journalisten haben für landesweite Empörung gesorgt und werfen Fragen zur Rolle der Sicherheitskräfte auf.
Tausende protestieren gegen EU-Entscheidung
Die Proteste in der Hauptstadt Tiflis dauern nun schon zehn Tage an. Tausende Georgier gehen täglich auf die Straßen, um gegen die Entscheidung der Regierung zu protestieren, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt bis 2028 zu verschieben. Für viele ist diese Verzögerung ein fatales Signal: Sie sehen darin eine Abkehr von einem klar prowestlichen Kurs, der für die Zukunft des Landes entscheidend sei.
Die Demonstrationen, die zunächst friedlich begonnen hatten, sind in den vergangenen Tagen immer wieder von Gewalt überschattet worden. Es gab bereits zahlreiche Verletzte, und Hunderte Menschen wurden festgenommen. Die Spannungen in der Bevölkerung steigen, während die Regierung bisher wenig Bereitschaft zeigt, auf die Forderungen der Demonstranten einzugehen.
Unzufriedenheit auch außerhalb der Hauptstadt
Die Protestwelle beschränkt sich nicht nur auf Tiflis. Auch in anderen Städten Georgiens gehen die Menschen auf die Straßen, um gegen die Regierungspolitik zu demonstrieren. Viele befürchten, dass sich das Land von seinem prowestlichen Kurs abwendet und stattdessen wieder stärker unter den Einfluss Russlands gerät.
Für die georgische Bevölkerung steht viel auf dem Spiel: Georgien hatte 2022 offiziell einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Die europäische Integration ist für viele Georgier mehr als nur ein politisches Ziel – sie steht für Hoffnung auf Stabilität, Sicherheit und eine bessere wirtschaftliche Zukunft. Eine Verzögerung dieser Verhandlungen wird von vielen als Verrat an den proeuropäischen Idealen gesehen, für die sie seit Jahren kämpfen.
Gewalt als Gefahr für den Zusammenhalt
Die zunehmende Gewalt gegen friedliche Demonstranten und Journalisten hat die ohnehin angespannte Lage weiter verschärft. Menschenrechtsorganisationen und internationale Beobachter kritisieren das Vorgehen der Sicherheitskräfte scharf. Die Untätigkeit der Polizei wird als stillschweigende Unterstützung der Angriffe interpretiert und heizt die Stimmung im Land weiter an.
Die Regierung steht unter massivem Druck, sowohl von der eigenen Bevölkerung als auch von der internationalen Gemeinschaft. Doch bisher hat sie weder ein klares Zeichen für Dialog noch gegen die Gewalt auf den Straßen gesetzt. Stattdessen wächst die Kluft zwischen den proeuropäischen Demonstranten und einer politischen Führung, die immer mehr als abgekoppelt von den Wünschen der Bevölkerung wahrgenommen wird.
Ein Land am Scheideweg
Georgien steht an einem entscheidenden Punkt seiner Geschichte. Die Proteste und die gewaltsamen Übergriffe zeigen, wie tief die Spaltung im Land ist – zwischen einem prowestlichen Teil der Gesellschaft und einer politischen Elite, die möglicherweise andere Interessen verfolgt. Die kommenden Tage werden zeigen, ob die Regierung auf die Forderungen der Demonstranten eingeht oder ob die Spannungen weiter eskalieren.
Für die Demonstranten bleibt die Botschaft jedoch klar: Sie kämpfen nicht nur für einen EU-Beitritt, sondern für die Zukunft ihres Landes – eine Zukunft, die sie klar im Westen sehen.