In einer überraschenden und historischen Entscheidung verkündete Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol am Dienstagabend das Kriegsrecht, was das Land in eine Phase schwerer politischer Unsicherheit stürzte. Der Schritt, der während einer unangekündigten TV-Ansprache erfolgte, warf ernste Fragen über die Stabilität der Demokratie in Südkorea auf und löste sofortige innen- und außenpolitische Reaktionen aus. Wenige Stunden später stimmte das südkoreanische Parlament einstimmig gegen die Maßnahme – ein deutlicher Widerstand gegen den Präsidenten.
USA zeigen „ernste Besorgnis“ über die Entwicklungen
Kurt Campbell, stellvertretender US-Außenminister, erklärte am Dienstag, dass die Vereinigten Staaten die Ereignisse in Südkorea „mit großer Sorge“ verfolgen. „Unser Bündnis mit der Republik Korea ist eisern, und wir stehen in dieser unsicheren Zeit an ihrer Seite“, sagte Campbell. Die US-Regierung stehe im engen Kontakt mit ihren südkoreanischen Partnern auf allen Ebenen, sowohl in Seoul als auch in Washington.
Präsident Joe Biden äußerte sich vorsichtig und sagte, er werde über die Entwicklungen „gerade erst informiert“. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates räumte ein, dass die US-Regierung vorab nicht über Yoons Entscheidung informiert worden sei.
Die Bedeutung des Kriegsrechts in Südkorea
Die von Präsident Yoon erlassene Kriegsrechtsverordnung verbietet alle politischen und parlamentarischen Aktivitäten, erlaubt Verhaftungen ohne Haftbefehl und kriminalisiert „falsche Nachrichten“ sowie die „Manipulation der öffentlichen Meinung“. Auch Proteste, Streiks und Arbeitsniederlegungen wurden untersagt. Ärzte, die sich in einem Arbeitskampf befanden, wurden angewiesen, innerhalb von 48 Stunden zur Arbeit zurückzukehren.
Die Anordnung markiert das erste Mal seit 1980, dass ein südkoreanischer Präsident Kriegsrecht verhängt hat – ein düsteres Echo auf eine autoritäre Vergangenheit, die das Land seit Jahrzehnten hinter sich gelassen hat.
Parlament blockiert die Maßnahme einstimmig
In einer Sondersitzung, die bis in die frühen Morgenstunden des 4. Dezembers andauerte, stimmten 190 anwesende Abgeordnete der südkoreanischen Nationalversammlung einstimmig gegen die Kriegsrechtsverordnung. Nach der Abstimmung zogen Dutzende von Soldaten, die das Parlamentsgebäude bereits besetzt hatten, aus dem Gebäude ab. Vor den Toren des Parlaments jubelten versammelte Bürger und riefen: „Lang lebe die Republik Korea!“
Der Vorsitzende der Nationalversammlung, Woo Won-sik, erklärte die Anordnung nach der Abstimmung für „ungültig“ und forderte den Präsidenten auf, sie sofort aufzuheben. Nach südkoreanischem Recht ist der Präsident verpflichtet, der Entscheidung des Parlaments zu folgen. Doch bislang ist unklar, ob Yoon dies tun wird.
Reaktionen im Inland und international
Selbst der Vorsitzende von Yoons eigener konservativer Partei, Han Dong-hoon, verurteilte die Einführung des Kriegsrechts und versprach, gemeinsam mit Oppositionsparteien dagegen vorzugehen. Der Schritt hat auch international Besorgnis ausgelöst. Die USA, ein enger Verbündeter Südkoreas, beobachten die Lage genau, da eine mögliche Instabilität in Südkorea weitreichende geopolitische und wirtschaftliche Folgen haben könnte.
Cedric Leighton, CNN-Militärexperte, warnte, dass jede Instabilität in Südkorea die militärische Fähigkeit der USA im indo-pazifischen Raum beeinträchtigen könnte. Südkorea ist mit 28.500 stationierten US-Soldaten und engen wirtschaftlichen Verflechtungen ein entscheidender Partner der Vereinigten Staaten in Asien.
Ein Präsident unter Druck
Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2022 sieht sich Präsident Yoon einer Flut von Skandalen und politischem Widerstand gegenüber. Von einer tödlichen Massenpanik in Itaewon bis hin zur umstrittenen Dior-Taschen-Affäre seiner Ehefrau – Yoons Präsidentschaft ist von Kontroversen geprägt, die seine Popularität stark geschwächt haben. Die Opposition, die die Mehrheit im Parlament hält, hat wiederholt versucht, Yoons Regierung zu blockieren, was offenbar den Hintergrund für die Ausrufung des Kriegsrechts bildete.
Fazit: Die Zukunft bleibt ungewiss
Südkorea steht an einem entscheidenden Punkt seiner demokratischen Geschichte. Während das Parlament klare Grenzen gegen eine mögliche Machtüberschreitung des Präsidenten gesetzt hat, bleibt unklar, wie Yoon und sein Kabinett auf die Abstimmung reagieren werden. Die kommenden Tage könnten über die Stabilität der südkoreanischen Demokratie entscheiden – und deren Auswirkungen weit über die Landesgrenzen hinaus spürbar machen.