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Christian Lindner und die Kunst der Gesamtverantwortung – Ohne Rücktritt, aber mit Spitzenkandidatur

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kschneider2991 (CC0), Pixabay

FDP-Chef Christian Lindner hat in der Stunde der Partei-Krise die Bühne betreten – und liefert ein Lehrstück in der Disziplin „Verantwortung übernehmen, ohne Konsequenzen zu ziehen“. „Natürlich musste und muss ich mich prüfen“, sagte Lindner gestern Abend in den ARD-„Tagesthemen“ – eine bemerkenswerte Aussage, wenn man bedenkt, dass diese „Prüfung“ offenbar nur zu einem einzigen Ergebnis führen konnte: Lindner bleibt. Denn wer, wenn nicht er, könnte die FDP aus dieser selbstverschuldeten Misere führen? Vielleicht der Praktikant aus der Pressestelle – aber der ist gerade beschäftigt, Rücktrittsreden für Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann zu schreiben.

Die Kunst des Vorwärts-Verleugnens

Die FDP hat sich in den letzten Tagen durch ein echtes Meisterwerk der politischen Kommunikation hervorgetan: Man plante heimlich den Ausstieg aus der Ampelkoalition, leugnete diese Pläne gegenüber der Öffentlichkeit und publizierte sie dann selbst, als die Medien den Braten rochen. Eine Strategie, die irgendwo zwischen Versteckspiel und politischem Kamikaze anzusiedeln ist. Und wer trägt die „Gesamtverantwortung“? Natürlich Christian Lindner – aber nur theoretisch, versteht sich. Praktisch bedeutet das, dass er sich weiterhin als Spitzenkandidat für die nächste Bundestagswahl anbietet. Schließlich hat Verantwortung nur dann Gewicht, wenn man sie so leicht wie möglich trägt.

Rücktritt? Nur für die anderen.

Während Bijan Djir-Sarai und Carsten Reymann in vorauseilendem Gehorsam ihre Posten räumten, bleibt Lindner standhaft. Rücktritt? Wieso denn? Schließlich war es doch eine richtige Entscheidung, über einen möglichen Ausstieg aus der Ampel nachzudenken – zumindest laut Lindner. Dass man diesen Ausstieg nicht nur heimlich plante, sondern die Existenz dieser Pläne auch erst bestritt und dann publik machte, ist nur ein kleiner Schönheitsfehler in der Strategie. Und wenn man in der Politik eines gelernt hat, dann doch, dass Schönheitsfehler keine Rücktritte rechtfertigen – höchstens bei den Untergebenen.

„Das war es?“ – Nein, das war es nicht.

Natürlich stellt sich die naheliegende Frage: Wenn man schon öffentlich von „Gesamtverantwortung“ spricht, ob man dann nicht auch sagen müsste: „Das war es. Ich trete zurück.“ Doch Christian Lindner wäre nicht Christian Lindner, wenn er eine solche Frage ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Stattdessen betont er, dass er sich „geprüft“ habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass nur er die FDP in die Bundestagswahl führen könne. Ein Angebot, das die Partei vermutlich so sehr zu schätzen weiß wie einen weiteren D-Day im Kalender.

Fazit: Verantwortung light – jetzt auch in der FDP

Christian Lindner zeigt uns einmal mehr, wie man politisches Krisenmanagement so gestaltet, dass man selbst am besten dabei wegkommt. Rücktritte? Nur für andere. Verantwortung? Ja, aber bitte ohne Folgen. Spitzenkandidatur? Selbstverständlich, wer denn sonst? Die FDP mag im freien Fall sein, aber Lindner bleibt felsenfest überzeugt, dass er der richtige Pilot für diesen Sturzflug ist. Ob die Wähler das genauso sehen, wird sich zeigen – vielleicht plant die FDP ja schon heimlich Szenarien für den nächsten D-Day. Dieses Mal aber bitte mit Rücktrittsbriefen, die nicht erst auf Nachfrage veröffentlicht werden.