Mehr als die Hälfte der Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland fühlt sich unsicher, wie das aktuelle „Gemeindebarometer“ des Zentralrats der Juden zeigt. Laut der Umfrage des Instituts Infas gaben 52 Prozent der befragten Gemeindemitglieder an, es sei „eher unsicher“ oder „überhaupt nicht sicher“, in ihrer Stadt als Jüdin oder Jude sichtbar zu sein. Das bedeutet einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu 2019, als der Wert noch um rund zehn Prozentpunkte niedriger lag.
Angst und Zurückhaltung nach dem 7. Oktober
Die Befragung legt nahe, dass die Unsicherheit insbesondere nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zugenommen hat. Viele Befragte äußerten, sie hätten Angst vor Anfeindungen, Übergriffen und Anschlägen. Auch ein spürbarer Mangel an Solidarität und die Notwendigkeit, die eigene jüdische Identität zu verbergen, wurden von den Teilnehmenden hervorgehoben.
Ein Kommentar aus der Studie verdeutlicht die emotionale Belastung: „Der starke Anstieg von Antisemitismus erschreckt mich zutiefst. Daher zeige ich nicht mehr öffentlich, dass ich Jüdin bin. Der Großteil meiner Familie wurde in der Schoah ermordet, und ich hätte niemals gedacht, dass ich mich in Deutschland wieder verstecken müsste.“
Rückhalt für Israel bleibt stark
Die Umfrage zeigt auch, dass die Solidarität mit Israel unter den Gemeindemitgliedern ungebrochen hoch ist. 87 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass sie Israel unterstützen, unabhängig von der politischen Situation oder dem Verhalten der israelischen Regierung. Zudem vertraten 78 Prozent die Meinung, dass Jüdinnen und Juden verpflichtet seien, Israel zu unterstützen. Allerdings gaben 33 Prozent an, es falle ihnen schwer, dies bedingungslos zu tun – eine Minderheit, die dennoch von einer deutlichen Mehrheit überstimmt wird.
Überblick zur Befragung
Für das „Gemeindebarometer“ befragte das Institut Infas zwischen Dezember 2023 und März 2024 insgesamt 2.574 Personen. Der Großteil der Teilnehmenden – rund 1.900 Personen – waren aktive Mitglieder jüdischer Gemeinden, die übrigen frühere Mitglieder oder Nichtmitglieder. Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich ausschließlich auf die aktuellen Gemeindemitglieder.
Die Ergebnisse zeichnen ein besorgniserregendes Bild: Während die Unsicherheit unter Jüdinnen und Juden in Deutschland zunimmt, bleibt die Solidarität mit Israel ein zentrales Element des jüdischen Lebens in Deutschland – trotz der schwierigen Umstände.