In Leipzig wird mal wieder über große Dinge gestritten. Diesmal geht es um das sogenannte Jahrtausendfeld – ein 25.400 Quadratmeter großes Stück Land in Lindenau, das anscheinend alle auf einmal für sich beanspruchen: die Stadt, eine private internationale Schule, ein Umweltverband, diverse Parteien und natürlich das Fördergeld der Steuerzahler. Wie praktisch, dass die Stadtratssitzung am Donnerstag spontan beschloss, das Thema erst mal von der Tagesordnung zu nehmen. Klingt fast nach: „Wir haben keine Lust, uns jetzt damit auseinanderzusetzen.“ Aber hey, immerhin bleibt so noch ein Fünkchen Hoffnung für die Leipzig International School (LIS), die dort ihre hochtrabenden Campus-Träume verwirklichen wollte.
Die Schule, die bisher in Schleußig beheimatet ist – einem Objekt, das laut Sprecherin Helena Putsch „längst zu klein“ ist –, hatte große Pläne: einen Neubau mit Platz für bis zu 1.600 Schülerinnen und Schüler, eine Sporthalle und ein Bildungsparadies, in dem man sich sogar europäische Abschlüsse auf Polnisch oder Französisch verdienen könnte. Und ja, sicher auch ein paar Bäume und Sträucher für das gute Gefühl. Aber wehe, der Stadtrat beschließt ein Bebauungsplanverfahren! Denn das würde – wir zitieren Putsch – „aus zeitlichen Gründen“ alles ruinieren. Übersetzung: Wenn wir fünf bis zehn Jahre auf ein Ergebnis warten müssen (die typische Leipziger Bearbeitungsdauer), können wir den Campus auch gleich in die Science-Fiction-Abteilung verschieben.
Schule oder Stadtpark? Warum nicht beides … und nichts davon richtig?
Doch nicht alle Leipziger sehen die LIS-Träume als die beste Idee seit geschnittenem Brot. Rund 500 Bürger, angeführt vom Umweltverband Ökolöwe, protestierten jüngst gegen die „überdimensionierte Baumasse“ und die unklare Zukunft des versprochenen „Parks“. Ökolöwe-Sprecher Niclas Rosendahl brachte es auf den Punkt: „Wir fordern einen Stadtteilpark, keinen Alibi-Grünstreifen.“ Und wer kann es ihnen verdenken? Ein Drittel Grün klingt ja irgendwie schön, aber wie viel davon wird am Ende wirklich grün und wie viel wird dann doch „zufällig“ zu einer weiteren Parkplatzzone?
Die Stadtverwaltung versuchte in den letzten Monaten, beide Seiten zu besänftigen, mit Bürgerdialogen, Entwürfen und viel Gerede über „Qualität der öffentlichen Freiflächen“. Doch offenbar reicht das nicht. Und als wäre das nicht genug Drama, ist der Boden des Areals – Überraschung! – auch noch mit Schadstoffen belastet. Unter einer dünnen Erdschicht ruhen die Keller einer alten Maschinenfabrik, die wohl noch ein paar toxische Geheimnisse bereithalten. Klingt doch nach einem perfekten Ort für einen Bildungs-Campus, oder?
Steuerzahler, macht euch bereit: Der Spaß wird teuer.
Natürlich geht es auch ums Geld. Ein Bebauungsplanverfahren kostet Millionen. Gutachten hier, Planer dort – Leipzig ist schließlich bekannt für seine Effizienz, was solche Projekte angeht (siehe Bayerischer Bahnhof, der seit zwölf Jahren auf eine Entscheidung wartet). Und wer bezahlt das Ganze? Genau, die Steuerzahler. Schließlich braucht eine Stadt wie Leipzig ja dringend mehr kostspielige Prozesse, die sich ewig hinziehen.
Der Deal: Ein bisschen Land, ein bisschen Hoffnung.
Trotz aller Konflikte gibt es inzwischen eine Absichtserklärung. Die Stadtbau AG, der private Eigentümer des Areals, will 3.000 Quadratmeter Land an die Stadt verkaufen – für den unschlagbaren Preis von fünf Euro pro Quadratmeter. Daraus könnte ein 8.800 Quadratmeter großer Park entstehen. Ob der wirklich grün wird oder nur ein weiteres Kapitel im Leipziger Bürokratie-Roman bleibt, ist allerdings noch unklar. Fest steht: Die Stadträte erfuhren erst eine Stunde vor der letzten Sitzung von diesem Deal. Transparenz? Fehlanzeige.
Fazit: Grün gegen elitär – und keiner gewinnt.
Am Ende bleibt die Frage: Braucht Leipzig wirklich eine private internationale Schule, die hauptsächlich von Elternbeiträgen finanziert wird und Bewerber regelmäßig abweist, weil sie zu wenig Platz hat? Oder braucht die Stadt nicht vielmehr mehr Grünflächen und Erholungsräume, wie es die Umweltaktivisten fordern? Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen – oder im Stapel unbearbeiteter Akten, der im Leipziger Rathaus langsam, aber sicher Staub ansetzt. Klar ist jedenfalls: Das Jahrtausendfeld ist ein Paradebeispiel für städtische Entscheidungsfindung im Schneckentempo. Und wer gewinnt? Wahrscheinlich niemand.