Frage: Herr Högel, Zugverspätungen sind ein großes Ärgernis für Reisende. Welche Rechte haben Bahnkunden in Deutschland bei Verspätungen?
Maurice Högel: Bahnkunden haben klare Ansprüche, die in der EU-Fahrgastrechte-Verordnung geregelt sind. Bereits bei einer Verspätung von 60 Minuten können sie eine Entschädigung geltend machen. Konkret bedeutet das: 25 Prozent des Fahrpreises bei einer Stunde Verspätung und 50 Prozent bei zwei Stunden oder mehr. Diese Regelungen gelten für alle Fernverkehrszüge, aber auch im Nahverkehr können vergleichbare Rechte bestehen. Wichtig ist, dass der Kunde diese Ansprüche geltend macht – sie werden nicht automatisch ausgezahlt.
Frage: Gibt es Einschränkungen oder Ausnahmen, bei denen Bahnkunden keine Entschädigung erwarten können?
Maurice Högel: Ja, es gibt Ausnahmen. Wenn die Verspätung durch höhere Gewalt verursacht wurde – etwa extreme Wetterbedingungen oder Streiks – entfällt der Anspruch auf Entschädigung. Auch bei sehr günstigen Ticketarten wie dem 9-Euro-Ticket oder dem Deutschlandticket gelten oft gesonderte Bedingungen, die den Anspruch auf Entschädigung ausschließen oder begrenzen können.
Frage: Was sollten Bahnkunden tun, um ihre Ansprüche durchzusetzen?
Maurice Högel: Zunächst sollten sie die Verspätung dokumentieren – etwa durch Fotos der Anzeigetafeln oder eine Bestätigung des Zugpersonals. Anschließend kann der Entschädigungsanspruch über das Servicecenter Fahrgastrechte geltend gemacht werden. Dies geht entweder online, per Post oder direkt am Schalter. Wichtig ist, den Original-Fahrschein oder ein digitales Ticket vorzulegen.
Frage: Viele Kunden empfinden den Prozess als bürokratisch. Gibt es Möglichkeiten, dies zu vereinfachen?
Maurice Högel: Der Prozess ist tatsächlich nicht immer einfach, aber es gibt inzwischen Apps und Plattformen, die Bahnkunden unterstützen. Sie analysieren automatisch die Verspätungen und reichen Ansprüche im Namen der Kunden ein. Alternativ könnten Verkehrsunternehmen von sich aus proaktiver handeln und Entschädigungen automatisch auszahlen – das wäre eine echte Verbesserung.
Frage: Gibt es aktuelle Bestrebungen, die Fahrgastrechte zu erweitern?
Maurice Högel: Ja, die EU-Kommission arbeitet an einer Überarbeitung der Fahrgastrechte-Verordnung. Ziel ist es, die Rechte der Bahnkunden weiter zu stärken, etwa durch höhere Entschädigungen oder eine klarere Definition von Fällen höherer Gewalt. Auch die Einführung eines einheitlichen europäischen Systems zur Entschädigungsabwicklung wird diskutiert. Das könnte die Situation deutlich verbessern.
Frage: Was raten Sie Bahnkunden, die Probleme bei der Durchsetzung ihrer Rechte haben?
Maurice Högel: In solchen Fällen sollten sie sich rechtlichen Rat einholen. Oft lassen sich Ansprüche durch einen Anwalt oder Verbraucherzentralen unkompliziert durchsetzen. Wichtig ist, die eigenen Rechte zu kennen und nicht davor zurückzuschrecken, sie einzufordern.
Frage: Vielen Dank, Herr Högel, für diese hilfreichen Informationen.
Maurice Högel: Sehr gerne! Es ist wichtig, dass Bahnkunden ihre Rechte kennen und wahrnehmen, um für mehr Gerechtigkeit im Bahnverkehr zu sorgen.