Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat mal wieder ein Ziel ausgerufen. Eines, das sympathisch klingt, in Talkshows gut funktioniert und für Schlagzeilen taugt: Der gesetzliche Mindestlohn soll bis 2026 auf 15 Euro steigen. Wie genau? Ganz einfach – man müsse sich nur an die Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission halten. Aha. Es ist also gar keine Frage wirtschaftlicher Entwicklung, Arbeitgeberrealität oder Tarifpolitik – man muss lediglich das Regelwerk brav befolgen, und der Rest passiert ganz von selbst. Wäre es nicht so ernst gemeint, könnte man fast applaudieren.
Heil sagte im ZDF-Morgenmagazin sinngemäß, der Mindestlohn solle künftig 60 Prozent des mittleren Einkommens betragen – das sei Ziel der EU-Mindestlohnrichtlinie, und wenn man dieses Ziel ernst nehme, dann liege man im Jahr 2026 eben bei ungefähr 15 Euro. Dass mittlere Einkommen nicht politisch festgelegt, sondern durch Markt- und Tarifentwicklungen beeinflusst werden, scheint in dieser Rechnung nicht weiter zu stören. Auch nicht, dass manche Branchen schon heute stöhnen, wie sie überhaupt noch mit steigenden Personalkosten umgehen sollen. Aber gut, ein Minister muss ja nicht rechnen, sondern verkünden.
Unterstützung bekommt Heil dabei ausgerechnet von der CDU – oder sagen wir: aus Teilen der CDU. Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte, sowohl 15 Euro Mindestlohn als auch eine Senkung der Einkommenssteuer seien „machbar“. Aha – also höhere Mindestlöhne und geringere Steuern? Mehr Netto bei gleichzeitiger Kostenentlastung für alle? Klingt wie ein All-inclusive-Wahlkampfpaket: keine Verlierer, keine Nebenwirkungen – bitte hier unterschreiben.
Weniger euphorisch war CDU-Chef Friedrich Merz. Der erinnerte daran, dass die im Koalitionsvertrag angepeilten 15 Euro Mindestlohn sowie eine Steuerentlastung nicht gewiss seien. Ein Satz, der in seiner Nüchternheit beinahe an Blasphemie grenzt. Schließlich gehört es heutzutage zum politischen Einmaleins, dass man alles versprechen kann – so lange die Rechnung erst nach der Wahl kommt.
Besonders interessant ist dabei die Rolle der Mindestlohnkommission, die laut Heil nun also das politische Ziel „einfach umsetzen“ soll. Dass sie eigentlich ein paritätisch besetztes Gremium mit Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern ist, das unabhängig entscheidet – geschenkt. Wenn der Minister ruft, soll gefälligst geliefert werden. Und wenn nicht? Dann wird eben wieder politisch eingegriffen, so wie bei der letzten Erhöhung auf 12 Euro – ein Schelm, wer dabei an Einflussnahme denkt.
Und so geht es weiter in der Berliner Parallelwelt: Die wirtschaftliche Realität? Schwache Konjunktur, massive Investitionszurückhaltung, hohe Energiepreise und Personalmangel. Doch während Betriebe zunehmend ächzen, wird in Talkshows über die Geschäftsordnung fabuliert. Mindestlohn rauf, Steuern runter – es klingt zu schön, um wahr zu sein. Und vermutlich ist es das auch.
Aber immerhin: Der politische Wille ist da. Das Ziel ist gesteckt. Die Kommission hat eine Geschäftsordnung. Und vielleicht reicht das ja – zumindest bis zur nächsten Wahl.